Weinheim

Erfinder der Weinheimer Teichbühne sagt Tschüss

Gunnar Fuchs, der Leiter des Kulturbüros der Stadt Weinheim, geht Ende Juni nach 33 Jahren in den Ruhestand. An seinem letzten Arbeitstag wird es noch einmal glamourös.

Mit dem „Theater am Teich“ schuf Gunnar Fuchs ab 2006 ein Kulturangebot von ganz besonderer atmosphärischer Strahlkraft an einem Ort mit Weinheimer Alleinstellungsmerkmal. Nach 33 Jahren geht der Leiter des Kulturbüros der Stadt Weinheim Ende Juni in den Ruhestand. Foto: Marco Schilling
Mit dem „Theater am Teich“ schuf Gunnar Fuchs ab 2006 ein Kulturangebot von ganz besonderer atmosphärischer Strahlkraft an einem Ort mit Weinheimer Alleinstellungsmerkmal. Nach 33 Jahren geht der Leiter des Kulturbüros der Stadt Weinheim Ende Juni in den Ruhestand.

Das nahende Dienstende ist unübersehbar. Im Büro von Gunnar Fuchs in Weinheim stapeln sich Kisten, wartet ein Turm aus Tageszeitungen auf die Auswertung fürs Archiv. Um das Programm für den Weinheimer Kultursommer, der vom 1. Juni bis 31. August rund 30 Veranstaltungen aufweist, muss sich sein Nachfolger Tobias Schindler nicht mehr kümmern. Es ist der letzte Reigen von Veranstaltungen, den Fuchs mit seiner Mitarbeiterin Petra Enßlen-Winkler unter dem Motto „Kultur im Sommer“ zusammengestellt hat. Am 1. Juli beginnt für den langjährigen Leiter des Weinheimer Kulturbüros mit 66 Jahren der Ruhestand.

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Die Kultur blühte in Weinheim in den 90er-Jahren gehörig auf, als Fuchs am 1. Oktober 1991 als Mitarbeiter von Ursula Seume ins damalige Kulturreferat kam und vor allem mit der Organisation des noch jungen Weinheimer Kultursommers betraut wurde, den die Stadt 1988 als kultureller Vorreiter in der Region eingeführt hatte. „Ich hatte von Ben Schmidt erfahren, dass man in Weinheim jemanden für diese reizvolle Aufgabe suchte“, erinnert sich Fuchs, der vor seinem Wechsel in die Zweiburgenstadt in Offenbach bei der Solidaritätsjugend Deutschlands, einem Sportverband, die Bundesförderungen beantragte und den Jugendaustausch organisierte. Außerdem hatte Fuchs schon zu seiner Zeit, als er in Frankfurt Anglistik und Sozialkunde studierte, im Kulturamt von Offenbach Erfahrungen bei der Organisation von Kulturveranstaltungen gesammelt.

Gute Kontakte zur Kleinkunst

Das Kulturdezernat hatte seinen Sitz in der Stadtbibliothek. „Das Genre Kleinkunst kam damals groß auf“, sagt Fuchs und blättert in einem Kuso-Flyer. Kabarettist Matthias Richling war bei seinem Weinheimer Gastspiel noch ein Geheimtipp, durch seine Offenbacher Zeit hatte Fuchs gute Kontakte zu Gruppen wie dem Frankfurter Kurorchester oder dem Frankfurter Fronttheater, Akteure wie „Die Traumtänzer“ oder das Duo vom Chaos-Theater „Oropax“, das Gunnar Fuchs bei einem seiner Besuche der Kulturbörse in Freiburg engagierte, sorgten für außergewöhnliches, niveauvolles und exquisites Unterhaltungsgenre. Schlosshof, Schlosskeller oder Bürgersaal waren die gesetzten Veranstaltungsorte. 90 Prozent des Kultursommerprogramms wurden noch vom Kulturdezernat bestritten. Das Budget setzte sich zu je einem Drittel aus Eintrittsgeldern, Spenden und einem Zuschuss der Stadt zusammen.

Ruf als Stadt der Kultur

In den 90er-Jahren wurde Weinheims Ruf als Stadt der Kultur in der Metropolregion immer lauter. „Muddy’s Club“ schuf sich in Eigenleistung sein Domizil im Diesterwegkeller und bot Konzerthöhepunkte für Blues- und Jazzfans, das Café Central wurde zu einem Jugendtreffpunkt. Mit den „Spitzklickern“ und den „Edelzwickern“ hatte die Stadt gleich zwei lokale Kabarett-Ensembles zu bieten. Der Kunstförderverein sorgte unter Leitung seiner damaligen Vorsitzenden Dr. Renate Lepsius kurz nach der Wende mit seiner „Berlin-Berlin“-Ausstellung mit Künstlern aus Ost- und Westberlin für nationale Furore, und auch die städtischen Kulturtreibenden luden zu Ausstellungen ein. Fuchs saß in der Jury, die über Kunstankäufe der Stadt entschied.

Als Ursula Seume 1993 aus gesundheitlichen Gründen als Kulturreferentin ausschied, wurde aus dem Kulturreferat das Kulturbüro der Stadt Weinheim und Gunnar Fuchs sein Leiter. Der bis dato originäre, in städtischer Hand organisierte Kultursommer erfuhr in den Folgejahren eine Wandlung. Immer mehr Veranstaltungen von Privatveranstaltern tauchten im Programm auf. Mit dem Open-Air im Schlosspark, das 1997 vom Kulturbüro in Zusammenarbeit mit dem Orchester des Nationaltheaters Mannheim organisiert wurde und dem weitere Klassik-Konzerte im Park sowie Auftritte von Liedermacher Klaus Hofmann, von Klaus Lage oder Nina Hagen folgten, wurde die Tür für Konzertveranstalter geöffnet.

Theater am Teich

„Kultur sollte immer einen besonderen, einen exklusiven Status haben, der sich auch im Veranstaltungsort ausdrückt. Das ist auch ein Zeichen für Respekt, den man mit dem Ort gegenüber den Künstlern und ihrem Genre ausdrückt“, sagt Fuchs. Veranstaltungen, die ausschließlich auf Kommerz und Vermarktung zielen, waren nicht seine Sache. Sein Streben nach besonderer Stimmigkeit zwischen Veranstaltungsort und dem gebotenen kulturellen Inhalt führte schließlich zu seiner Idee, Konzerte, Theater oder Kabarett auf einer Bühne im Schlossparkteich anzubieten. Auch im Rückblick ist für ihn die ab 2006 im Kultursommer laufende Veranstaltungsreihe „Theater am Teich“ (TaT) ein kultureller Akzent mit besonders starker Identifikation mit Weinheim und einem seiner reizvollsten und atmosphärisch aufgeladenen Orte.

Vorrang für Naturschutz

Beim Start gab es Musik von Silke Hauck und Band. Der Froschkönig wurde für die Kinder am Sonntagnachmittag aufgeführt, und abends ließ zum Ausklang Deng Xiaomei die Erhu, die chinesische Geige, auf der Bühne im Teich erklingen. Dass TaT-Veranstaltungen wettersicherer wurden, als in den Folgejahren die Bühne ein Dach erhielt und später sogar eine Zuschauertribüne hinzukam, konnte nicht verhindern, dass aus Theater am Teich irgendwann Theater am Turm wurde. Der Naturschutz erhielt angesichts von Kaulquappen-Populationen Vorrang. Das für den Aufbau der Bühne erforderliche vorübergehende Ablassen des Wassers wurde untersagt.

Es folgten TaT-Veranstaltungen am Blauen Hut und schließlich im kleinen Schlosshof, der in den vergangenen Jahren zu einem neuen, beliebten Veranstaltungsort wurde. Kultur in Weinheim, speziell Kultur im Sommer, ist längst keine rein städtische Angelegenheit mehr. Gunnar Fuchs kann sich allerdings mit seinen Mitstreitern, zu denen neben Petra Enßlen-Winkler auch vorübergehend Rolf Zeitler gehörte, zugutehalten, auch mit Innovationen wie Poetry Slam-Wettbewerben im Schlossparkrestaurant oder dem jährlichen Internationalen Kulturfest zu einem blühenden Veranstaltungsleben in Weinheim beigetragen zu haben.

„Nachtigallen“ zum Abschied

Nach 33 Jahren städtischem Kulturtreiben fällt der Abschied von Gunnar Fuchs am 30. Juni mit einer Veranstaltung zusammen, die nicht besser passen könnte. An seinem letzten Arbeitstag kann er sich mit allen Kulturfreunden auf den Auftritt der Gruppe „Die Nachtigallen“ freuen, die, ebenfalls nach über 30 Jahren, auf ihrer Abschiedstournee noch einmal im kleinen Schlosshof Popmusik bieten: So glamourös und kapriziös wie es der scheidende Kulturbüro-Leiter gerne hat.