Weinheim

WHG zeigt einen "Teufelstanz in roten Schuhen"

Was das Schauspielensemble des Weinheimer Werner-Heisenberg-Gymnasiums da auf die Bühne gebracht hat, kann sich sehen lassen. So modern und originell hat man das Drama "Der Besuch der alten Dame" lange nicht gesehen.

Das Schauspielensemble des Werner-Heisenberg-Gymnasiums brachte das Dürrenmatt-Drama „Der Besuch der alten Dame“ auf originelle und moderne Art auf die Bühne. Foto: Philipp Reimer Fotografie
Das Schauspielensemble des Werner-Heisenberg-Gymnasiums brachte das Dürrenmatt-Drama „Der Besuch der alten Dame“ auf originelle und moderne Art auf die Bühne.

Ein Zitat des 2013 verstorbenen Literaturhistorikers Walter Jens lautet: „Der Dialog mit Friedrich Dürrenmatt ist noch nicht zu Ende. Er beginnt erst, und wir werden Mühe haben, in Dürrenmatts mächtigem Schatten zu bestehen.“ Unzählige Male ist Dürrenmatts 1956 uraufgeführtes Drama „Der Besuch der alten Dame“ mit vielen namhaften Stars für die Bühne inszeniert oder verfilmt worden. Auf originelle und moderne Art hat sich jetzt das Schauspielensemble des Werner-Heisenberg-Gymnasiums (WHG) der Tragödie des großen Schweizer Dramatikers angenommen.

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Auch das Regieteam Rieke Eichner und Christian Maul trug „aus Solidarität“ rote Pumps. Foto: Margit Raven
Auch das Regieteam Rieke Eichner und Christian Maul trug „aus Solidarität“ rote Pumps.

Unter der Regie der Pädagogen Rieke Eichner und Christian Maul gelang mit ungewöhnlich flippigen Stilmitteln eine Inszenierung, die sich fernab des düsteren Rachefeldzuges einer am Stock gehenden alten Frau im Nerz bewegte. Vielmehr begeisterten 20 Schüler von der 8. Klasse bis zur Oberstufe mit erfrischender Schauspielfreude und feiner Komik. Hinzu kam, dass vom Alpenrock über Techno und Schlager bis zum Choral ein ganzes Arsenal an musikalischen Genres vertreten war. Choreografisch begeisterten die jungen Darsteller vom sensiblen Ausdruckstanz bis zum ausgelassenen Hip-Hop.

Wie Laserstrahlen wirken die kreuz und quer gespannten Schnüre über der Spielstätte. Foto: Philipp Reimer Fotografie
Wie Laserstrahlen wirken die kreuz und quer gespannten Schnüre über der Spielstätte.

Das Staunen der Zuschauer beginnt an diesem Premierenabend schon beim Betreten der Aula. Über das gesamte Areal der plattformartigen Bühne verteilt liegen leblose, weiß gekleidete Gestalten. Wie Laserstrahlen wirken die kreuz und quer gespannten Schnüre über der Spielstätte. Einziger Farbtupfer sind die knallroten Lack-Pumps an den Füßen der Schlafenden. Und über der ganzen Szenerie thront ein einzelner roter Stöckelschuh in überdimensionaler Größe. Auch das festlich gekleidete Regieteam Rieke Eichner und Christian Maul trägt rote Pumps. „Ich tue es aus Solidarität mit unseren männlichen Schauspielern“, betont Christian Maul lachend in der Pause. Der Schuh spielt auch in Dürrenmatts Originalfassung eine durchgängige Symbolrolle, allerdings in Gelb. Während es aus den Boxen zu Beginn des Stückes in ohrenbetäubender Lautstärke „Wannst mitm Deifi tanzt“ (Wenn du mit dem Teufel tanzt) schallt, erheben sich die weißen Gestalten und verfallen in ekstatische Tanzbewegungen.

Arm sind die Bewohner des Städtchens Güllen. Ihre einst florierende Wirtschaft ist tot, nicht einmal der Schnellzug hält noch bei ihnen. Zur Belustigung des Publikums wird die Geschichte mit kurzen Passagen nach Weinheim verlagert. Große Hoffnung wird in Claire Zachanassian, die prominente, finanzstarke Witwe eines Ölmagnaten, gesetzt. Sie, die als junges Mädchen Kartoffeln von den Feldern für die armen Nachbarn stahl, möchte ihre ehemalige Heimatstadt wiedersehen. Mit im großen Gepäck hat sie einen leeren Sarg, denn gegen eine Spende von einer Milliarde möchte sie die Leiche Alfreds sehen, der die schwangere 17-Jährige damals verlassen hat.

Bei aller Dramatik gibt es viele skurrile Regie-Einfälle. Dazu gehört zum Beispiel, dass Claire und Alfred von jeweils drei Darstellern gespielt werden. „Wir deuten damit die verschiedenen Charakterzüge der beiden Protagonisten an“, erklärt Regisseurin Rieke Eichner die Dreifachbesetzung.

Hervorzuheben ist auch, dass Claire nicht als verbitterte alte Frau dargestellt wird, sondern von drei hübschen jungen Damen in roten Trägerkleidern. Ein weiterer grotesker Einfall ist die durch ein schickes Pailletten-Hosenbein dargestellte Bein-Prothese von Claire. Es würde den Rahmen sprengen, all die originellen Regieeinfälle zu schildern. Um nur einige zu nennen, sei noch der „stumm gesungene“ Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“ erwähnt, das allein mit Stimmlauten markierte Geräusch des einfahrenden Zuges oder die beiden verrückten, im Duett sprechenden Eunuchen Koby und Loby. Mit dramatischer Musik wird schließlich die Auslöschung eines Lebens, als Gegenleistung für eine großzügige Spende in die Stadtkasse, angedeutet. Denn bitter war die Armut der Güllener, die Versuchung groß und allzu menschlich die Bereitschaft für das Unmenschliche. Für das herausragende Schauspielensemble und die überaus einfallsreiche Iszenierung gab es am Ende minutenlanges rhythmisches Klatschen.

Montag noch eine Aufführung

Für die Vorstellung am heutigen Montag, 23. Oktober, 19 Uhr, sind noch Restkarten an der Abendkasse erhältlich.