Geldübergabe an Tankstelle: Weinheimer Restaurant-Chef um Schutzgeld erpresst
Die Täter drohten, sein Lokal zu zerstören und sich an der Familie des Restaurant-Inhabers zu vergreifen.

Der Himmel ist bereits pechschwarz, als sich der Restaurant-Chef mit seinen Erpressern trifft. Im Neonlicht der Tankstelle soll das Schutzgeld übergeben werden. Hier passen sie den Mann ab, bauen sich bedrohlich vor ihm auf. „Ich habe 50 bewaffnete Leute hinter mir“, teilt Andras N. dem Lokalinhaber mit. Er soll nicht nur um seinen Betrieb, sondern auch um sein Leben fürchten. Und um seine Familie. Der Plan geht auf: Das Opfer zahlt.
Fünf Anklagen, zwei Urteile
Fünf Männern sollte gestern der Prozess wegen räuberischer Erpressung beziehungsweise des Versuchs einer solchen gemacht werden. Vier erschienen im Amtsgericht, der fünfte ist an Corona erkrankt. Zwei der Täter wurden verurteilt, drei Beschuldigte erwartet noch ihre Verhandlung. Allesamt sollen sie im Herbst 2019 in die Schutzgelderpressung gegen einen Weinheimer Restaurant-Chef involviert gewesen sein.
Ehefrau händigt Handynummer aus
23. Oktober 2019: Andras N. und ein Mitbeschuldigter begeben sich zum Restaurant ihres Opfers. Dort erzählen sie dessen Frau, einen Termin mit ihm zu haben. Ihr Ehemann ist nicht vor Ort. Sie gibt ihnen seine Handynummer. Über das Telefon wird schließlich das Treffen an der Tankstelle vereinbart.
Täter präsentiert Waffe
Dort fordern sie 8000 Euro vom Lokalbetreiber, andernfalls würden sie sein Geschäft verwüsten. Der teilt ihnen mit, nicht so viel Geld zu besitzen. Sie einigen sich auf vorerst 6000 Euro. Der Restaurant-Chef schickt seinen Sohn los, 3000 Euro abzuheben. Das findet Andras N. überhaupt nicht lustig. Der damals 29-Jährige schiebt demonstrativ sein T-Shirt nach oben, offenbart einen Gegenstand in seinem Hosenbund. Wie beabsichtigt, hält ihn sein Opfer für eine Waffe. Es kümmert sich darum, dass die restlichen 3000 Euro ankommen, und erkauft sich damit Ruhe. Für eine Woche ...
Wieder klingelt das Telefon
Schon am 29. Oktober klingelt wieder das Telefon des Lokalbetreibers. Andras N. ist am anderen Ende der Leitung: Nun fordert er 10 000 Euro. Diesmal den vollen Geldbetrag – noch heute. Sonst würde nicht nur die Gaststätte zerstört werden, sondern auch der Familie ein Unglück geschehen. Der Inhaber lässt die Frist verstreichen. Nun ruft Denis B. bei ihm an. Der warnt den Restaurant-Chef, keine Dummheiten zu machen. Man habe „Leute überall“. Für 20 Uhr verabreden sie sich an der Tankstelle zur Übergabe des Geldes. Das Trio aus Andras N., Denis B. und einem Mitangeklagten wird den Übergabeort mit leeren Händen verlassen. Dafür klicken die Handschellen. Haftbefehle werden erlassen.
Woher kannte er die Täter?
Der Restaurantinhaber hatte zwischenzeitlich die Ordnungshüter verständigt. Warum er das erst im letzten Moment tut, darüber lässt sich nur mutmaßen. In der Prozessakte schwirrt ein Polizeivermerk herum. Der spricht von Anhaltspunkten, die darauf hinweisen, dass das Opfer seine späteren Peiniger selbst einmal losschickte, um wegen eines Immobiliengeschäfts Geld einzutreiben. Aber dabei kann es sich auch um eine Schutzbehauptung der Angeklagten handeln. Woher sich Lokal-Chef und Täter kennen, geht letztendlich auch aus dem Prozess nicht hervor.
Langer Arm der Gerechtigkeit
Vier Jahre sind seit den Taten ins Land gezogen. Durch Pandemie und Krankheitsfälle hatte sich der Prozess immer weiter nach hinten verzögert. Nun sollte es keinen Aufschub mehr geben. Eine streitige Verhandlung ohne den erkrankten Beschuldigten A. war aber nicht möglich. Er soll laut Anklage eine zu große Rolle gespielt haben. Also kam ein Deal auf den Tisch. Die Rechtsanwälte wurden ins Beratungszimmer der Richterin gerufen. Das Angebot: ein vollumfängliches Geständnis der Mandanten gegen eine mildere Haftstrafe. Andras N. und Denis B. willigten mit Freuden ein. Die Zeugen wurden wieder ausgeladen. „Ich will einfach, dass es vorbei ist“, sagte B. bei einer Raucherpause seiner Anwältin. Seit vier Jahren schwebte die drohende Haftstrafe über seinem Kopf (und denen seiner glücklichen Kleinfamilie).
Platzt der Deal?
Die mutmaßlichen Mittäter N. und K. wollten sich nicht auf den Vorschlag einlassen. Lautstark wurde auf dem Gang vor dem Gerichtssaal mit Staatsanwalt Dr. Michael Hager diskutiert. Der versuchte, das rechtliche Für und Wider zu erklären. Bis Hager feststellte, dass er Strafverfolger und nicht -verteidiger und die Erläuterung juristischer Fragen Sache ihrer Anwälte ist.
Geständnisse vor Gericht
Gegen sie und den erkrankten Angeklagten wird gesondert prozessiert. Mit ungünstiger Ausgangslage: Denn nun gibt es die Geständnisse ihrer beiden Mitangeklagten Andras N. und Denis B. Die kamen mit einem blauen Auge davon. Strafverfolgung und Verteidigung forderten dasselbe Strafmaß – auf Bewährung. Denis B. wurde wegen versuchter räuberischer Erpressung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Andras N. bekam ein Jahr und zwei Monate. Die 6000 Euro, die er erpresste, muss er zurückbezahlen.
Fragezeichen bleiben
„Die Akte hatte viele Fragezeichen – auch, was die Rolle des Geschädigten anbelangt. Trotzdem waren sie vollumfänglich geständig. Wir wissen nicht, wie die Sache sonst ausgegangen wäre“, erkannte die Vorsitzende Richterin Eva Lösche an.