Pädokrimineller Kindergärtner in Weinheim verurteilt

Der 34-Jährige, der an der Badischen Bergstraße in einem Kindergarten arbeitete, hortete auf seinem Computer Kinder- und Jugendpornografie. Vor Gericht zeigte er keine erkennbare Reue.

Im Weinheimer Amtsgericht wurde ein 34-Jähriger unter anderem wegen des Besitzes von Kinderpornografie zu einem Jahr und fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Foto: Thomas Rittelmann
Im Weinheimer Amtsgericht wurde ein 34-Jähriger unter anderem wegen des Besitzes von Kinderpornografie zu einem Jahr und fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Als sich Schöffen und Staatsanwältin um den Richtertisch zur Inaugenscheinnahme versammeln, steigt dem Angeklagten die Schamesröte ins Gesicht. In der Akte, die geöffnet vor Amtsgerichtsdirektorin Eva Lösche liegt, befinden sich verstörende Aufnahmen. Manche von ihnen zeigen die Vergewaltigung von Kindern. Alle stammen sie aus der pornografischen Sammlung, die sich der ehemalige Kindergärtner im Internet beschaffte.

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Der 34-jährige Erzieher, der zum Zeitpunkt der Taten in einer Einrichtung an der badischen Bergstraße arbeitete, stand am Donnerstag wegen des Besitzes von Kinder- und Jugendpornografie vor Gericht. Bei den Dateien, die bei einer Durchsuchung auf seinen Datenträgern gefunden worden waren, handelte es sich um rund 90 Videos und Bilder, die Minderjährige unter 18 beziehungsweise unter 14 Jahren zeigten. Außerdem hatte er in zwei Fällen pornografische Inhalte von Jugendlichen über das Internet geteilt. Der Transfer fand über den Nachrichtendienst Kik statt. Der Messenger gewährleistet Nutzern ein hohes Maß an Anonymität, weshalb er von der Servicestelle Kinder- und Jugendschutz als „jugendschutzrechtlich kritisch“ eingestuft wird. Die WhatsApp-Alternative wurde für Nutzer ab 17 Jahren kreiert, Hauptklientel sind jedoch 11- bis 15-Jährige.

Dateipfad führt zu Chatroom "Knuddels"

Blieb es beim Konsum von Pornografie? Diese Frage blieb am Donnerstag zwar unbeantwortet. Aber ein Kriminaloberkommissar, der im Fall des Erziehers ermittelte, berichtete von einem Dateipfad, der nach der Auswertung des PCs des Angeklagten zum Chatportal „Knuddels“ führte. Die Online-Community erlangte traurige Berühmtheit im Zusammenhang mit Pädokriminalität. Wiederholt kam es dort zu Straftaten, unter anderem Missbrauchsdelikten. In einem RTL-Spezial „Angriff auf unsere Kinder“ gaben sich drei erwachsene Frauen als Zwölfjährige aus und bekamen innerhalb von drei Tagen über 500 übergriffige, sexualisierte Kontaktanfragen.

Obwohl der 34-Jährige den Download und die Weitergabe illegaler Inhalte gestand, wollte er sich vor Gericht nicht mehr an die konkreten Taten entsinnen. „Ich kann mich nicht mehr erinnern, mir es nicht erklären. Ich frage mich immer wieder: Mensch, warum bist du in diese dumme Situation geraten?“ Hier fuhr ihm Richterin Lösche prompt in die Parade: Es handele sich nicht um eine „dumme Situation“, in der er sich befinde. Er sitze heute hier, weil er Verbrechen begangen hat. Zudem seien es Kinder und Jugendliche, die durch die Erstellung der Bilder und Videos zu Schaden gekommen sind. Auch nach dieser harten Ansprache war in den Ausführungen des Angeklagten kein wirkliches Schuldbewusstsein zu erkennen. Er sprach darüber, wie seit der Hausdurchsuchung sein Leben auf den Kopf gestellt ist. Der ehemalige Kindergärtner erzählte von der Belastung, die mit der Erwartung auf den Prozess auf ihm lag. Er berichtete von seiner Arbeitslosigkeit und wie er sich derzeit bemüht, einen Job in einem anderen Berufsfeld zu bekommen.

"Sind Sie pädophil?"

„Ich bekomme das Gefühl, Sie haben sich bislang nur mit Ihrem persönlichen Leid und nicht mit Ihrer Neigung auseinandergesetzt“, sagte Richterin Lösche und fragte deshalb direkt: „Sind Sie pädophil?“ Der 34-Jährige verneinte. Bislang lieferte der Angeklagte kein gutes Gesamtbild ab. Die Sitzung wurde pausiert, damit er sich mit seinem Verteidiger Ekkart Hinney beraten konnte. Als Anwalt und Mandant zurückkamen, ergriff der Jurist das Wort: „Der Angeklagte ist mit der Situation überfordert.“

Hinney beteuerte, dass dem 34-Jährigen bewusst sei, dass die Aufnahmen Vergewaltigungen zeigten. „Es ist ihm aufgrund der Aufregung aber nicht möglich, das zu verbalisieren.“ Richterin und Staatsanwältin wollten also wissen, ob der Angeklagte bereit ist, sich in Therapie zu begeben. Der ehemalige Kindergärtner bejahte.

Verstörende Bilder in Augenschein genommen

Normalerweise müssen die Beweise, also das verstörende Bildmaterial, bei einem Geständnis nicht zwangsläufig in Augenschein genommen werden. Deshalb wiegt ein Bekenntnis in diesem Straftatbereich auch viel: Es erspart den Prozessbeteiligten samt Schöffen die Belastung. Doch sei es, wie Eva Lösche im Nachgang des Prozesses erläuterte, in diesem Fall notwendig gewesen. Deshalb, weil der Angeklagte eine pädophile Neigung bestritt.

Wenn es bei Justiz und Strafverfolgung bei dieser Frage Restzweifel gegeben haben sollte, dann wurden sie nach dem Blick in die Beweisakte zerstreut. „Wer als normaler Nutzer auf ,Kik‘ unterwegs ist, dem wird keine Kinderpornografie angeboten. Nach so etwas fragt man“, war sich die Staatsanwaltschaft sicher.

Die Forderungen von Strafverfolgung und Verteidigung lagen nicht weit auseinander. Das Urteil des Amtsgerichtes lag mit einem Jahr und fünf Monaten auf Bewährung schlussendlich etwas darüber. Alle Beteiligten waren sich darüber einig, dass der 34-Jährige in Therapie muss. So wurde ihm zur Bewährungsauflage gemacht, dies bei der Behandlungsinitiative Opferschutz (BIOS) zu tun. Diese ist die nächstgelegene Anlaufstelle für die Behandlung von Pädophilen.

Für Opfer und Täter

BIOS ist sowohl für Opfer als auch für Täter und „Tatgeneigte“ Ansprechpartner. Zu den Bewährungsauflagen hinzu kommen 150 Stunden gemeinnützige Arbeit. „Ganz überzeugt von Ihrer Problemeinsicht bin ich nicht“, gestand Richterin Eva Lösche in der Urteilsbegründung. Zumindest habe der Angeklagte jedoch die Absicht geäußert, eine solche entwickeln zu wollen. „Wir haben den Eindruck gewonnen, dass Sie im Selbstmitleid schwimmen.“ Die Einhaltung der Therapieauflage wolle Lösche deshalb genau überwachen. „Wenn ich von der BIOS die Rückmeldung bekomme, dass bei Ihnen keine Aufarbeitung stattfindet, dann gehen Sie ins Gefängnis.“

Werden innerhalb einer Woche keine Rechtsmittel eingelegt, ist das Urteil des Amtsgerichts wirksam. Der damit verbundene Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis verhindert, dass der Erzieher wieder mit Kindern und Jugendlichen arbeiten kann.