Weinheim

Rund 1000 Teilnehmer bei Anti-Nazi-Demo in Weinheim

Auf und rund um den Windeckplatz haben am Samstagmittag mehr als 500 Menschen unter dem Motto #niewiederistjetzt gegen rechts demonstriert.

Die "Omas gegen rechts" sind mit von der Partie: Die Kundgebung in Weinheim fand auf dem Windeckplatz mitten in der Fußgängerzone statt. Foto: Philipp Reimer Fotografie
Die "Omas gegen rechts" sind mit von der Partie: Die Kundgebung in Weinheim fand auf dem Windeckplatz mitten in der Fußgängerzone statt.

Als auf dem Windeckplatz laut applaudiert wird, spitzt Wilma aufmerksam die Ohren. Die schwarze deutsche Dogge trägt zwei Plakate mit klarer Botschaft auf ihrem Hunde-Mantel: "Deutsche Doggen gegen Nazis" und "Ich beiße nur Nazis". Damit ist sie eine von rund 1000 Teilnehmern an der Kundgebung gegen rechts, die das Bündnis "Weinheim bleibt bunt" am Samstagmittag in der Weinheimer Innenstadt organisiert hat. Zuerst spricht Roland Kern, Pressesprecher der Stadt Weinheim von 500 Teilnehmern, korrigiert die Zahl aber später nach oben. "Wir schätzen 1000, eher mehr", sagt er gegenüber der Redaktion. Die Kundgebung steht - in Weinheim und vielen anderen deutschen Städten - unter dem Motto "Nie wieder ist jetzt". Und diesem Motto schließen sich in Weinheim so viele Menschen an, dass die Lautsprecher nicht weit genug Leistung bringen können. "Lauter!" - rufen die hinteren Reihen immer wieder.

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Demonstrantin auf vier Pfoten: "Ich beiße nur Nazis" steht auf einem Plakat, das Dogge Wilma an ihrem Hundemantel trägt. Foto: Verena Müller
Demonstrantin auf vier Pfoten: "Ich beiße nur Nazis" steht auf einem Plakat, das Dogge Wilma an ihrem Hundemantel trägt.

Seit durch die "Correctiv"-Recherche bekannt geworden ist, dass es in Potsdam ein geheimes Treffen von Rechtsextremen und AfD-Poltikern gegeben hat, bei dem auch über die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland gesprochen worden sein soll, gehen in diesen Tagen im gesamten Land Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu demonstrieren. "Kein Millimeter nach rechts", "Kunterbunt ist besser als kackbraun" und "Jetzt 2024 entschieden für Würde, Menschlichkeit und Demokratie" steht in Weinheim auf den Schildern, die einige Demonstranten in die eiskalte Winterluft strecken.

Der Windeckplatz hat nicht ausgereicht: Die Teilnehmer der Kundgebung gegen rechts am Samstag in Weinheim mussten teilweise auch entlang der Fußgängerzone stehen. Foto: Stadt Weinheim
Der Windeckplatz hat nicht ausgereicht: Die Teilnehmer der Kundgebung gegen rechts am Samstag in Weinheim mussten teilweise auch entlang der Fußgängerzone stehen.

"Wo blieb die klare Kante gegen rechts?"

Als erste Rednerin tritt Stella Kirgiane-Efremidou für "Weinheim bleibt bunt" ans Mikro. Die SPD-Politikerin erinnert daran, dass die aktuelle Entwicklung keineswegs überraschend kommt, sich vielmehr seit Langem angekündigt hat. "Menschen mit Migrationshintergrund und ohne wurden von der NSU ermordet. Doch was ist passiert? Anstatt sich mit Vehemenz dagegenzustemmen, haben sich demokratische Parteien - um am rechten Rand Stimmen zu erschleichen - den rechten Narrativen bedient. Das Boot ist voll, irreguläre Migration, Abschiebungen im großen Stil - diese Sätze gehörten zum täglichen Gebrauch unserer Sprache und wurden entsprechend auch verbreitet. Und das Ergebnis? Ein immer größerer Teil derer, die unsicher waren, ging zum Original. Nämlich zu den echten Rechten. Nicht zu den demokratischen Parteien, sondern zu der vermeintlichen Alternative. Wo blieb die klare Kante gegen rechts? Wo blieb die Erinnerungskultur?"

"EkelhAfD" ist auf einem Protestschild zu lesen. Die Kundgebung richtet sich aber nicht nur gegen die Alternative für Deutschland (AfD), sondern allgemein gegen rechts. Foto: Philipp Reimer Fotografie
"EkelhAfD" ist auf einem Protestschild zu lesen. Die Kundgebung richtet sich aber nicht nur gegen die Alternative für Deutschland (AfD), sondern allgemein gegen rechts.

Am Ende ihrer Rede, für die sie immer wieder viel Applaus erhält, zitiert Kirgiane-Efremidou Kofi Annan, den früheren Generalsekretär der Vereinten Nationen: "Alles was, das Böse braucht, um zu triumphieren, ist das Schweigen der Mehrheit."

Zwischen den Redebeiträgen wird gesungen, unter der Regie von Blues-Musiker Doc Wittenberg - unter anderem "Blowin in the wind" von Bob Dylan und "Nowhere Man" von den Beatles.

Bürgermeister Buske appelliert an die Weinheimer

Für die Stadt Weinheim ist am Samstag Andreas Buske, Erster Bürgermeister, als Redner gekommen und warnt vor Gleichgültigkeit gegenüber Rassismus. "Ich bin dem Bündnis ,Weinheim bleibt bunt' sehr dankbar, dass es diese Kundgebung heute organisiert und Weinheim eine Stimme gibt", sagt Buske. "Wachsamkeit fängt hier an, in den Städten und Gemeinden. Sie sind Orte der Wirklichkeit. Dort, wo der einzelne Mensch ungeachtet seines Glaubens oder seiner Herkunft, ein Freund, ein Nachbar, ein Vereinskamerad ist. Hier, wo wir uns in die Augen schauen und uns aufeinander verlassen können, genau hier, vor Ort, haben wir die Verpflichtung, unsere Mitmenschen zu schützen vor den menschenverachtenden Absichten. Nur wenn wir die Menschen schützen, schützen wir die Menschheit", so Buske.

Auch Ahmet Yeter vom Verein "Begegnungsbrücke", der sich in Weinheim für ein friedliches Miteinander und den interkulturellen Austausch von Menschen einsetzt, ruft unter viel Applaus Artikel 1 des Grundgesetzes in Erinnerung: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dies zu beachten, ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Jetzt sei die Zeit zu handeln und zu zeigen, was Demokratie bedeutet, mahnt Yeter.

Ahmet Yeter vom Verein "Begegnungsbrücke" erinnert in seiner Rede an Artikel 1 des Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Foto: Philipp Reimer Fotografie
Ahmet Yeter vom Verein "Begegnungsbrücke" erinnert in seiner Rede an Artikel 1 des Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

André de Sa Pereira vom Stadtjugendring Weinheim bringt in seiner Rede das ein, was man landläufig Galgenhumor nennt. "Ich frage mich natürlich auch persönlich: Wenn mein Ausweis nicht ausreicht, deutsch zu sein. Muss ich dann anfangen, einen Strichliste zu führen?" Sonntags den Tatort schauen, die deutsche Nationalmannschaft anfeuern. Sind das die neuen Kriterien? - so die Frage, die da im Raum schwebt - oder vielmehr über dem Windeckplatz. Die Aufgabe der Stadtgesellschaft - auch von Institutionen wie dem Stadtjugendring - sei es, zu zeigen, dass es in Weinheim "keinen Platz für völkischen Nationalismus gibt."

WHG-Schülersprecher berichtet von Besuch in KZ-Gedenkstätte in Auschwitz

Dann ist Tobias Kleis, Schülersprecher am Werner-Heisenberg-Gymnasium, an der Reihe. Er berichtet von einer Schulfahrt nach Auschwitz, dem Konzentrationslager, das wie kein Zweites für die grausame Ermordung von Millionen Menschen durch die Nazis steht. Dort, in Auschwitz, hätten er und seine Mitschüler die Spuren der systematischen und industriellen Ermordung von Menschen gesehen. "Das hat uns sehr mitgenommen", so Kleis. Und nur wenige Wochen später müssten sie nun erleben, dass es in Deutschland wieder um die Vertreibung von Menschen geht, um Gewalt und Rassismus. "Deshalb sagen wir, gerade auch als junge Menschen, die Verantwortung für die Zukunft übernehmen müssen: Nie wieder ist jetzt!"

Der Windeckplatz kann die vielen Menschen, die sich an der Kundgebung gegen Rechts beteiligen, gar nicht fassen. Foto: Philipp Reimer Fotografie
Der Windeckplatz kann die vielen Menschen, die sich an der Kundgebung gegen Rechts beteiligen, gar nicht fassen.

Wilma schaut zufrieden. Die "Deutschen Doggen gegen rechts" haben ein Statement gesetzt und Weinheim auch.