Soziales

Zaun soll Obdachlose fernhalten

Menschen ohne festen Wohnsitz übernachten in den Mannheimer Quadraten auf einem Grundstück, das der MVV gehört. Doch Anwohner fühlen sich gestört

Übernachtungsquartiere der Stadt sind im Sommer selten gefragt. Viele Obdachlose bleiben lieber draußen. Foto: Symbolbild: pixabay
Übernachtungsquartiere der Stadt sind im Sommer selten gefragt. Viele Obdachlose bleiben lieber draußen.

Wenn Menschen ohne Zuhause nachts in der Mannheimer Innenstadt ihren Schlafplatz aufsuchen – beispielsweise im Schlosspark rund um die dortige Mensa – dann bekommt dies jenseits der Obdachlosenszene kaum jemand mit. Im Quadrat N 6 verhält sich das anders: Dort ist bis vor Kurzem ein Grundstück der MVV immer wieder lautstark als abendlicher Sammelplatz und Übernachtungsstelle genutzt worden. Inzwischen hat der Energieversorger die Fläche einzäunen zu lassen.

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MVV-Pressesprecher Sebastian Ackermann teilt auf Anfrage mit: „Auf Bitte der direkten Nachbarschaft und nach sorgfältiger Abwägung der lokalen Situation haben wir uns dazu entschieden, eine Firma mit der Umzäunung des Grundstücks zu beauftragen.“

Rückblick: Weil Beschwerdeanrufe bei verschiedenen Behörden nichts bringen, schicken Anwohner von N 5, 11 und 12 sowie Umgebung einen Brief an die Polizei, das Ordnungsamt und die MVV. In dem Schreiben, das mehr als 20 Unterschriften trägt, wird geschildert, dass sich abends, meist ab 22 Uhr, Männer und Frauen ohne festen Wohnsitz auf einem Grundstück unter einem Dachvorsprung des Leonardo Hotels treffen, wo sie Matratzen deponiert haben.

Anwohner beklagen „ohrenbetäubenden Lärm“ zu später Stunde. Außerdem ist von „öffentlichem Urinieren“ und damit einhergehendem Gestank die Rede. „Wir und unsere Kinder leiden sehr darunter – vor allem an Schlafstörung und massivsten Belästigungen“, heißt es in dem Brief.

Klagen auch vom Kindergarten

Da auf die schriftliche Bitte, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, nach Aussage der Betroffenen keine Reaktion erfolgt, wenden sich Familien an die Zeitung. Als die Redaktion ihrerseits Kontakt mit den Behörden und der MVV aufnimmt, kommt Bewegung in die Angelegenheit. Ein Beamter des zuständigen Polizeireviers meldet sich bei dem Sprecher der Brief-Unterzeichner und berichtet, dass mit der MVV als Eigentümerin der Fläche Gespräche laufen.

Und weil bei dem Energie-Unternehmen nicht nur von Anwohnern, sondern auch von Eltern des nahe gelegenen Kindergartens Beschwerden eingegangen sind, entschließt sich das Unternehmen, die lediglich von einer Pkw-Schranke abgesperrte Fläche auch für Fußgänger unzugänglich zu machen. „Wir sind sehr, sehr erleichtert, dass jetzt wieder Ruhe eingekehrt ist und wir ungestört bei offenem Fenster schlafen können“, zeigt sich einer der Briefschreiber gegenüber dem „Mannheimer Morgen erleichtert.

Dass Männer und Frauen ohne eigenes Zuhause bei warmem Wetter nicht irgendwelche Übernachtungsstellen aufsuchen – dieses Phänomen kennt Stefanie Paul, beim örtlichen Caritasverband zuständig für den Bereich Arbeit, Migration und Soziales. Und so gilt als Erfahrungstatsache, dass die rund 35 Übernachtungsquartiere der Stadt im Sommer wenig gefragt sind.

Selbst im Winter draußen

Hubert Ogon, Leiter der kommunalen Wohnungslosenhilfe, schilderte anlässlich der Jubiläumsfeier des Dieter-Weber-Fonds für Obdachlosenprojekte, dass so manche Menschen selbst bei eisigen Temperaturen öffentliche Einrichtungen meiden – weshalb es im Winter gezielte Versorgungsfahrten mit dem „Kältebus“ gebe.

Nach einem jahrelangen Leben auf der Straße, häufig mit hohem Alkoholgenuss, so weiß Stefanie Paul, seien gesundheitlich angeschlagene Obdachlose oft gar nicht mehr körperlich in der Lage, sich von der Innenstadt in den Hafen zu der abgelegenen Übernachtungsstelle Bonadiesstraße aufzumachen. Oft fehle auch die Energie. Und dann gebe es noch jene, die gar keinen Anspruch auf soziale Unterstützung, beispielsweise auf einen Platz in einer Übernachtungsstelle, haben. Das gelte beispielsweise für einen Mann und eine Frau aus Polen, die regelmäßig in die von der Caritas vorgehaltene Obdachlosen-Tagesstätte kommen.

Auch im Umfeld dieser sozialen Anlaufstelle im Quadrat D 6 rollen momentan mehrere Menschen ihre Schlafmatten aus – manche schon tagsüber. „Wir führen diesbezüglich Gespräche“, so Stefanie Paul. Schließlich bleiben Beschwerden nicht aus, wenn mitten in der Stadt Gehwege oder Freiflächen zum Ausschlafen eines Rauschs oder Übernachten genutzt werden.

Und was würde sich die erfahrene Sozialarbeiterin zur Lösung des Problems wünschen? Ihre Antwort kommt prompt: „Einen zentral gelegenen, überdachten und damit trockenen Ort, ausgestattet mit Pritschen, wo unsere Leute unkompliziert hingehen können.“ Und dann betont sie noch: Obdachlose, die im Straßenbild auffallen, sind eine Minderheit. Die meisten seien „unsichtbar“ – weil sie aufgrund ihrer Biografien schon lange den Rückzug angetreten haben.