Birkenau

Eine neue Bühne für Silbers Figuren

Die Karussellfiguren von Adam Silber sind ab 12. April Teil einer Ausstellung der aus Birkenau stammenden Künstlerin Laura Gaiser. Was Besucher im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen erwartet.

Eine besondere Fahrt: Johannes Silber hat die Karussellfiguren von „Silbers Reitschule“ fit für den Transport in das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen gemacht. Dort werden sie von Künstlerin Laura Gaiser in eine Ausstellung integriert. Foto: Marco Schilling
Eine besondere Fahrt: Johannes Silber hat die Karussellfiguren von „Silbers Reitschule“ fit für den Transport in das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen gemacht. Dort werden sie von Künstlerin Laura Gaiser in eine Ausstellung integriert.

Ob Esel, Giraffe, Eisbär oder Hahn – die handgeschnitzten Figuren von Adam Silbers Karussell, das jahrzehntelang Runde um Runde auf den Kerwen der Region drehte, wecken Erinnerungen an die Kindheit, lassen zurückdenken an heiße Sommertage mit von Zuckerwattenduft getränkter Luft. Auch Laura Gaiser denkt gerne an diejenigen Kindertage zurück, die sie vor allem auch mit „Silbers Reitschule“ in Verbindung bringt. „Es gibt viele Fotos von mir, die zeigen, wie ich als Zweijährige auf den Tierfiguren sitze. Die Karusselltiere haben mich und meine Kindheit begleitet“, sagt die Künstlerin, die in Birkenau aufgewachsen ist und in Karlsruhe lebt, im Gespräch mit der Redaktion.

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Ab dem 12. April wird sie 13 von Silbers Karussellfiguren im Rahmen einer Ausstellung im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen in Szene setzen – und dabei zurück zu ihren Wurzeln gehen sowie ihrem künstlerischen Motto treu bleiben: das Verhältnis zwischen Mensch und Tier zu beleuchten. Und die geschnitzten Karussellfiguren sind dabei auf ganz neue Weise zu sehen.

Anfrage bei Johannes Silber

Es war bereits im Jahr 2019 in Paris, als sich Gaiser mit Christoph Wagner, einem befreundeten, aus Mörlenbach stammenden und in Berlin lebenden Architekten, in der französischen Hauptstadt traf und sie über ihre Kindheit sprachen – dabei schwelgten sie auch in gemeinsamen Erinnerungen an Adam Silbers Karussell.

Als Gaiser schließlich zum Ende des Jahres 2023 erfuhr, dass sie Teil der regionalen Ausstellung „Deltabeben“ im Ludwigshafener Wilhelm-Hack-Museum sein wird, die Werke regionaler Künstler zeigt, sei für sie klar gewesen, dass sie diese ganz persönlichen Requisiten ihrer Kindheit zu einem Teil ihrer Kunst werden lassen möchte. „Es sind unglaublich schön geschnitzte Tiere“, sagt Gaiser voller Respekt für die handwerkliche Arbeit, die in dem Karussell steckt. Also griff sie zum Telefon und rief zu Anfang dieses Jahres Johannes Silber an.

Foto: Simon Hofmann
Foto: Simon Hofmann
Foto: Simon Hofmann
Foto: Simon Hofmann
Foto: Simon Hofmann
Foto: Simon Hofmann
Foto: Simon Hofmann
Foto: Simon Hofmann
Für die einen ist es ein Fahrchip, für die anderen ein kleiner Schatz.
Foto: Simon Hofmann
Mit einem einzigen Blick zurück in die Vergangenheit: Seit 13 Jahren liegt das Karussell von Adam Silber gut verstaut im Dornröschenschlaf. Nun soll ihm wieder Leben eingehaucht werden.
Foto: Simon Hofmann
Für die einen ist es ein Fahrchip, für die anderen ein kleiner Schatz.
Mit einem einzigen Blick zurück in die Vergangenheit: Seit 13 Jahren liegt das Karussell von Adam Silber gut verstaut im Dornröschenschlaf. Nun soll ihm wieder Leben eingehaucht werden.

Was sein Vater Adam einst in mühevoller Detailarbeit erschuf, hält sein Sohn Johannes in Ehren. Er werde oft auf seinen Vater, das Karussell und die Emotionen, die die Menschen mit ihm verbinden, angesprochen – so auch von Gaiser. Schließlich machte er die Figuren transportfertig und brachte sie vor Kurzem eigenhändig in das Ludwigshafener Museum.

„Gänzlich anders zu sehen“

Dass die Tierfiguren erstmals Teil einer Kunstausstellung werden sollen, freut Johannes Silber. „Die Menschen erfreuen sich an den Tieren und an dem Karussell. Ich möchte es ermöglichen, dass man sie wieder sieht – auch wenn die Figuren nun gänzlich anders zu sehen sein werden“, sagt Silber mit Blick auf die Nostalgie und auf das Neue, das Kunst mit sich bringt. „Die Karusselltiere werden nun Teil eines Kunstwerks, das ich alleine nicht beurteilen mag. Das liegt nämlich immer im Auge des Betrachters. Kunst ist immer nachdenkenswert – solange sie Menschen fordert, aber nicht überfordert“, sagt Silber, der sich offen gegenüber der Kunst zeigt.

Im Rahmen der Ausstellung „Deltabeben – Regionale“ werden die Karussellfiguren nun einmal ganz anders in Szene gesetzt. Foto: Laura Gaiser
Im Rahmen der Ausstellung „Deltabeben – Regionale“ werden die Karussellfiguren nun einmal ganz anders in Szene gesetzt.

Zufällig zeitgleich mit Gaisers Anfrage forderte die Tierschutzorganisation PETA in den USA und in Deutschland öffentlich das Verbot von Karusselltieren, um der Nutzung von Tieren als Transportmittel und zur Unterhaltung entgegenzuwirken. „Ich war emotional betroffen, als Tierschützer den Kindern die Karusselltiere nehmen wollten“, sagt Silber. Und auch Gaiser betont die Schönheit von Karusselltieren: „Es ist schön, dass man als Kind den Tieren im Karussell sehr nahekommen kann.“

Vier Videoinstallationen

Betrachtet man Gaisers Kunst, die sie in Ludwigshafen zeigen wird, dann werden die Karussellfiguren teils zu Requisiten, teils zu Akteuren und an wieder anderer Stelle zu Abbildern. In der Ausstellung gezeigt werden nicht nur die Karusselltiere selbst, sondern auch vier Videoinstallationen, die die Künstlerin derzeit produziert.

In Szene gesetzt werden darin nicht nur die Tierfiguren, sondern auch weitere Protagonisten – diese Rollen übernehmen Familienmitglieder und Freunde von Gaiser. Sie runden die Kunstwerke ab, die stets Tiertransformationen zeigen: So entstehen Zeichen moderner Mythologie und Brüche, wenn die Grenze zwischen Mensch und Tier aufgebrochen wird, indem Kontraste miteinander vermischt werden.

Künstlerin Laura Gaiser wuchs in Birkenau auf und bettet die Karussellfiguren nun in ihre Kunst ein. Foto: Laura Gaiser
Künstlerin Laura Gaiser wuchs in Birkenau auf und bettet die Karussellfiguren nun in ihre Kunst ein.

Auch die Kostüme, die sie selbst aus Drahtgestell, Heißkleber und auch mal Federn herstellt, sind von ihr handgefertigt. Bei ihrer Kunst gehe es ihr immer um das Leben und um das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, erklärt Gaiser. „Tiere begleiten mich schon mein Leben lang. Man kann manches durch Tiere anders erzählen, zum Beispiel Verhaltensweisen. Außerdem kann der Mensch Tieren oft mehr Empathie entgegenbringen als Menschen.“

„Ich stelle alles filterlos dar“

Gaiser geht es in ihrer Kunst um die großen Themen des Lebens: Hoffnung und Ängste, aber auch Sexualität, Gewalt und Tod – „das kann teilweise erschreckend oder befremdlich wirken“, sagt Gaiser. Also eine bewusste Provokation? „Nein, ich möchte mit meiner Kunst nicht provozieren, sondern ich stelle alles filterlos dar“, erklärt sie und zeigt in ihren Arbeiten rohe Emotionen und die animalischen Anteile im Menschen. Und ist Kunst denn zwangsweise immer politisch? „Ja“, sagt die Künstlerin. „Mir geht es um den unverstellten Blick in die Welt. In meinen Arbeiten zeige ich meine Einblicke.“ Die Karussellfiguren werden bis Mitte Juni also ihrer ursprünglichen Funktion zweckentfremdet.

Und wie geht es danach mit dem Karussell weiter? „Es ist noch nichts Konkretes geplant. Fest steht aber, dass ich es erhalten und mich Stück für Stück darum kümmern muss“, sagt Silber, der bei der Ausstellungseröffnung dabei sein wird. Wer die Karusselltiere also einmal anders erleben möchte, hat ab 12. April die Gelegenheit dazu.

Mehr zu Künstlerin und Ausstellung

Laura Gaiser (Jahrgang 1985) wuchs in Birkenau auf, besuchte die Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Weinheim und studierte von 2010 bis 2015 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe bei Toon Verhoef und Prof. John Bock.

In Gaisers Ausstellungen geht es oft um das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Ihre Kunst war bereits international zu sehen, unter anderem in der Städtischen Galerie Karlsruhe, in der Cargo Bar Basel und in der Cité Internationale des Arts in Paris.

In der vom 13. April bis 16. Juni laufenden Ausstellung „Deltabeben – Regionale“ zeigen im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen 21 zeitgenössische Künstler aus der Region ihre Kunstwerke. Die Ausstellung findet alle zwei Jahre im Wechsel zwischen Mannheim und Ludwigshafen statt. Die Auswahl der teilnehmenden Künstler wurde von elf Nominatoren getroffen. Gaisers Kunst ist Teil dieser Ausstellung, an der sie sich vor allem mit Videoinstallationen beteiligt. Und auch der richtige Sound spielt für sie eine Rolle: So arbeitete sie bei dieser Produktion erneut mit Soundkünstler Tobias Graf-Carl. Die Künstlerin wird bei der Eröffnung am 12. April sowie am 25. April bei einer Künstlerführung anwesend sein.