Offen sprechen über NS-Taten und -Täter in Rimbach
Wie soll man fast 90 Jahre nach den Pogromen am 9. November 1938 mit der Geschichte und den Tätern umgehen? Ein Kommentar.
Sollen die Namen der damaligen NS-Täter genannt werden? Oder lieber doch nicht? Die Frage stellt sich jetzt die Initiative „Erinnern – Gegen das Vergessen“. Und vermutlich stellen sie sich auch viele Rimbacher. Der Umgang mit diesem Teil der deutschen Geschichte hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Veränderungen durchlaufen, angefangen mit dem Wunsch, sie zu verdrängen, neu anzufangen, kaum dass der Zweite Weltkrieg zu Ende war, über die schockierenden Konfrontationen, die mit den großen Prozessen gegen einige der Hauptverantwortlichen einhergingen und die später folgende „Schlussstrich-Debatte“ bis zum Wunsch nach „Vergangenheitsbewältigung“. Verdrängen, vergessen, bewältigen – der Umgang mit der NS-Zeit ist eine komplizierte Materie, auch fast neun Jahrzehnte danach. Noch immer wird hinter vorgehaltener Hand gesprochen; in den kleinen Städten und auf den Dörfern heißt es dann gerne, dass doch ohnehin „jeder weiß, wer damals mitgemacht hat“. Was heißen soll, dass man keine Namen nennen muss, weil sie ohnehin alle kennen – was in der Regel falsch ist, weil „alle“ nur Menschen sind, die Zugang zu diesen Informationen haben. Damit wird aus dem dunklen Kapitel eine Materie für Eingeweihte. Doch ließe sich im Umkehrschluss sagen: Wenn es sowieso jeder weiß, kann man auch offen darüber reden. Man kann nicht nur, man muss. Denn sonst geht die Erzählung so: Da ist auf der einen Seite das Opfer, auf der anderen ein gesichtsloser Mob. Dem sadistische Quälereien einfallen, wie sie in Rimbach vollzogen wurden. Wer machte mit? Und aus welchen Gründen? Gehörten die Täter zur SS, zur SA? Oder waren es Nachbarn, Neider, Denunzianten? Das Fehlen dieser Informationen ist beunruhigend – schon deshalb, weil offenbar wird, dass hier nur die eine Hälfte des Geschehens erzählt wird. Es ist an der Zeit, offen zu sprechen. Zum einen, um das Bild zu vervollständigen. Zum anderen, um den Blick für Entwicklungen zu schärfen: Wie konnten normale Bürger zu Plünderern und Gewalttätern werden? Und was können wir daraus lernen? Auf keinen Fall, dass auf unschuldige Nachkommen mit dem Finger gezeigt wird. Was können wir heute dafür tun, dass sich das nicht wiederholt? Diese Frage ist drängender denn je.