Wald-Michelbach

Spendenaktion für das Ahrtal: Noch keine Normalität in Sicht

Gabi Michel-Mieslinger verteilt über 200 Geschenktüten an Menschen im Ahrtal, die noch immer mit den Folgen der Hochwasserkatastrophe zu kämpfen haben.

Der rote Spendentransporter von Michel-Mieslinger ist an einer Siedlung mit Tiny Houses angekommen. Diese sind als Behelfsunterkünfte für Menschen, die nach der Hochwasserkatastrophe nicht mehr in ihr Haus oder ihre Wohnung zurückkehren konnten, aufgebaut worden. Foto: Gabi Michel-Mieslinger
Der rote Spendentransporter von Michel-Mieslinger ist an einer Siedlung mit Tiny Houses angekommen. Diese sind als Behelfsunterkünfte für Menschen, die nach der Hochwasserkatastrophe nicht mehr in ihr Haus oder ihre Wohnung zurückkehren konnten, aufgebaut worden.

Von wegen, alles im Ahrtal habe sich zum Besseren gewendet, Normalität sei eingekehrt. Gabi Michel-Mieslinger ist mit ihrem Mann Rüdiger kurz vor Weihnachten dort hingefahren, verteilte über 200 Geschenktüten, die bei ihrer Spendenaktion im Wald-Michelbacher Geschirrdepot zusammengekommen waren. Sie zeichnet ein anderes Bild von der Situation, nachdem sie das Gespräch mit den Betroffenen suchte, die in der Nacht auf den 15. Juni 2021 von der Hochwasserkatastrophe heimgesucht worden waren.

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Vieles nur notdürftig

Gemeinsam mit einer Mitarbeiterin des Vereins ADRA-soteria fuhr Michel-Mieslinger quer durch das Ahrtal, sie machten Halt in Ahrweiler, Dernau und Marienthal, um die gespendeten Lebensmittel, Süßigkeiten und Spielsachen an die Bewohner zu verteilen. Doch schon die Fahrt entlang der Ahr habe bei ihr einen seltsamen Eindruck hinterlassen, sagt sie. So fuhren sie beispielsweise laut Google Maps eine „wunderschöne Allee direkt an der Ahr entlang. In Wirklichkeit jedoch war es eine notdürftig befestigte Straße, ohne Bäume, weil das Wasser sie in der Hochwassernacht weggespült hat.“

Mit dem roten Spendentransporter unterwegs

Vor knapp einem Jahr war sie schon einmal mit ihrem roten Spendentransporter im Ahrtal, um zu helfen. Damals seien alle noch „guten Mutes und voller Zuversicht“ gewesen. Vor allem hätten die Menschen gehofft, dass die Politik wie angekündigt schnell und unbürokratisch helfen würde, gerade weil viele Betroffene keine Elementarversicherung abgeschlossen hätten, so Michel-Mieslinger.

Bürokratische Hindernisse

Doch diese Hoffnung sei bei einigen inzwischen verflogen. Den Menschen seien „zu viele Steine in den Weg gelegt worden, es gibt zu viele bürokratische, zum Teil unüberwindbare Hindernisse“. Obwohl ihre ins Leben gerufene Weihnachts-Spendenaktion, an der sich viele Wald-Michelbacher beteiligt hätten, erfolgreich verlief – was Michel-Mieslinger während ihres Kurzaufenthalts im Ahrtal sieht, macht sie betroffen: Es gebe zwar Fortschritte, doch noch immer seien Menschen in Behelfsunterkünften, Wohncontainern oder Tiny Houses untergebracht, erzählt sie. Sie hätten bis heute „keine dauerhafte Bleibe und wissen nicht, wie lange sie hier noch wohnen können.“ Das zehre an den Nerven der Menschen.

Eindrücke, die sie berühren

Es habe zudem rührende Begegnungen gegeben, etwa mit einer jungen Familie, die sich kurz vor der Katastrophe ein Reihenhaus gekauft hätte, danach notdürftig in einer Behelfssiedlung untergekommen sei, dafür Miete und Nebenkosten zahlen, aber gleichzeitig die Renovierung des überfluteten Eigenheims finanzieren musste. Vor ein paar Wochen sind sie in ihr Haus zurückgekehrt: „Die Wände sind noch unverputzt, Elektroleitungen liegen offen, das ganze Haus ist eine Baustelle. Die Familie schläft im Keller und hat es sich dort einigermaßen gemütlich gemacht.“

Endlich wieder Plätzchen backen

Ihre Geschenke seien dankbar angenommen worden, sagt sie weiter. Mit diesem Besuch verknüpft die Wald-Michelbacherin noch eine schöne Erinnerung: „Die Tochter erzählte uns, dass sie jetzt endlich mit der Mama Plätzchen backen kann, der neue Herd ist angeschlossen und wir bringen jetzt Butter und Eier mit, das hatten sie nämlich nicht.“ In ihren Eindrücken, die sie nach ihrer Rückkehr aufgeschrieben hat, finden sich einige Szenen, die sie positiv stimmen: „Ich habe Familien besucht, welche sich ihre kleinen Häuschen wunderschön eingerichtet, weihnachtlich dekoriert und einen Vorgarten angelegt haben, um sich ‚daheim’ zu fühlen.“

Am meisten beschäftigt Michel-Mieslinger jedoch der starke Kontrast, den es vor einem Jahr so noch nicht gegeben habe. Immerhin: Der Weihnachtsmarkt fand in diesem Jahr wieder statt.