Weinheim

The-Voice-Gewinner spricht auf Weinheimer Bühne über seine Psyche und Grund für ESC-Absage

Da stand er also auf der Bühne des ausverkauften Weinheimer Blueskellers: Andreas Kümmert, der kleine korpulente Mann mit der Glatze und dem Zottelbart, gekleidet in Hoodie und Jeans.

Andreas Kümmert ist nicht nur begnadeter Sänger, sondern auch Blues-Gitarrist. Foto: Philipp Reimer Fotografie
Andreas Kümmert ist nicht nur begnadeter Sänger, sondern auch Blues-Gitarrist.

Da stand er also auf der Bühne des ausverkauften Weinheimer Blueskellers: Andreas Kümmert, der kleine korpulente Mann mit der Glatze und dem Zottelbart, gekleidet in Hoodie und Jeans. Die Wohlfühlkleidung, in der er 2013 die dritte Staffel von „The Voice of Germany“ bei RTL gewann. Und genauso, wie die Juroren damals spontan applaudierend aufsprangen, als sie die die ersten Töne seiner mächtigen Soulstimme vernahmen – so groß war der Wunsch an diesem Abend in Muddy’s Club, beim ersten Klang dieser Gänsehaut-Röhre aufzuspringen, und vor Begeisterung loszubrüllen.

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Das ist Gitarrenkunst

Geschrien und applaudiert wurde an diesem Abend, an dem das rustikale Kellergewölbe bis in den letzten Winkel besetzt war, ununterbrochen. Denn Andreas Kümmert ist nicht nur ein Blues- und Soulsänger, bei dem man sich manchmal fragt, ob er nicht doch entfernte Vorfahren am Mississippi hat, er ist auch ein begnadeter Blues-Gitarrist. Wie er die Linien und Melodiebögen auf seiner Fender singen lässt, und sich voller Leidenschaft mit geschlossenen Augen seinen hochklassigen Soli hingibt, das ist Gitarrenkunst. Nicht umsonst war sein Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie ausverkauft. „Have You Ever Been Mistreated“ oder „Miracles“ sind Songs, bei denen er seine Fans zunächst mit der Bluesgitarre gefangen nimmt, die so viel charakteristische Musiksprache ausdrückt, um sie dann mit seiner warmen gefühlvollen Soulstimme zu umarmen. Was man ihm überhaupt nicht mehr anmerkt, ist seine extreme Schüchternheit, die ihn 2015 sogar auf seine Teilnahme am ESC verzichten ließ.

Kaum nachvollziehbar, wenn er feststellt, dass dieses proppenvolle Kellergewölbe durchaus seinen Reiz hat. „Doch das Problem mit dem Atmen erinnert ein wenig an den Mount Everest. Könnte aber auch an meiner Statur liegen“, fügt er grinsend hinzu. Mit kleinen freundlichen Gesten versteht er es, seinem Drummer Tony Tyron und seinem Bassisten Asbjörn Gärtner über erste Unsicherheiten hinwegzuhelfen, da das Trio zum ersten Mal in dieser Konstellation zusammenspielt.

Der Song, der Herzen bewegt

Zwischendurch stellt er seinen Musikerfreund Jochen Thoma vor, der mit dem Stones-Song „The Spider And The Fly“ und ein paar Melodiebögen auf der Mundharmonika, der Blues Harp, begeistert. Die Pandemie-Jahre hatte Kümmert genutzt, um an seinem Album „Working Class Hero“ zu arbeiten, das im letzten Jahr erschien. Darin gibt es auch eine neu eingespielte Version seines damaligen „The-Voice-Songs“ „Rocket Man“, den er an diesem Abend unter den Beifallsrufen des Publikums singt. Er hat den Elton-John-Song seiner Soulstimme angepasst, sodass ein überaus reizvolles Arrangement entstand. „Rocket Man“ wurde so auch zu seinem Spitznamen und beschreibt gleichzeitig das Phänomen Andreas Kümmert: einen bodenständigen, vollkommen geerdeten Charakter, der sein Puplikum höflich mit „Meine Damen und Herren“ anspricht, jedoch mit seinen Blues- und Rocksongs schlagartig explodiert. Manchmal steht an diesem Abend auch die Zeit still, als er davon erzählt, dass er zum ersten Mal Vater geworden ist.

Foto: Philipp Reimer Fotografie

Davon handelt sein Song „Spaceship“, eine zutiefst emotionale und berührende Blues-Ballade. Wenn er wegen des reichlich fließenden Schweißes ständig die Brille absetzen muss und bemerkt, dass ihm das sein Psychiater empfohlen habe, da er das Publikum dann nur als verschwommene Punkte wahrnimmt, so ist das ein kleiner Hinweis auf seine psychischen Probleme, die ihm der Zuhörer allerdings nicht anmerkt. Als er die berührende Ballade „I’d Rather Go Blind“ der großen Etta James mit seiner kuschelwarmen Soulstimme singt, geht ein Schrei der Begeisterung durch das Publikum. Er legt seine ganze Seele in diesen Song und drückt den Schmerz mit lang gezogenen Gitarren-Riffs aus. Bei dem groovenden Rock „Keep My Heart Beating“ ist die Ähnlichkeit zum britischen Rag'n Bone Man geradezu verblüffend. Bemerkenswert ist auch, dass Kümmert das Gefühl vermittelt, nichts Besonderes zu sein.

Fans kleben an seinen Lippen

Doch sobald er seine Wahnsinns-Soulröhre in Gang setzt, kleben die Fans an seinen Lippen und wollen ihn auch nach zweieinhalb Stunden nicht gehen lassen. Das schafft er an diesem Abend auch nur mit ein paar Zugaben. „Versprich uns bitte, dass Du wiederkommst“, gab Sebastian Strodtbeck, künstlerischer Leiter von Muddy’s Club, ihm noch mit auf den Weg.