Hirschberg an der Bergstraße

Kommunalwahl in Hirschberg: Wie die Fraktionen zum Neubaugebiet stehen

Die Gemeinderatswahl in Hirschberg steht vor der Tür und die Weinheimer Nachrichten möchten ihren Lesern einen direkten Vergleich der Standpunkte ermöglichen.

Das mögliche Neubaugebiet in Leutershausen (Gewann „Rennäcker“) gilt als einer der Hauptstreitpunkte der Fraktionen. Während Freie Wähler, CDU, FDP und SPD dies befürworten, ist die Grüne Liste skeptisch. Foto: Thomas Rittelmann
Das mögliche Neubaugebiet in Leutershausen (Gewann „Rennäcker“) gilt als einer der Hauptstreitpunkte der Fraktionen. Während Freie Wähler, CDU, FDP und SPD dies befürworten, ist die Grüne Liste skeptisch.

Für die Gemeinderatswahl am 9. Juni möchte die Lokalredaktion der Weinheimer Nachrichten wieder einen Beitrag zur Meinungsbildung leisten. Am besten gelingt dies erfahrungsgemäß beim direkten Vergleich der Standpunkte und Ziele der Parteien und Wählervereinigungen. Im Rahmen einer fünfteiligen Serie wollen wir unseren Lesern diesen direkten Vergleich ermöglichen.

WNOZ WhatsApp-Kanal

Die Weinheimer Nachrichten und Odenwälder Zeitung auf WhatsApp! Aktuelle Nachrichten aus deiner Region. Die Top-Themen jeden Mittag frisch auf dem WhatsApp-Kanal.

Impressum

Im ersten Teil fragen wir die im Hirschberger Gemeinderat vertretenen Fraktionen: „Die Gemeinde Hirschberg benötigt wie andere Kommunen auch dringend neuen Wohnraum. Wie stehen Sie zum möglichen Neubaugebiet und wie sieht Ihr Konzept aus?“ Hier die Stellungnahmen.

Grüne Liste Hirschberg

Hirschberg ist ein attraktiver Wohnort, entsprechend hoch ist der Wohnungsdruck. Doch soll Hirschberg weiter wachsen – wenn ja, für wen? Und brauchen wir den Wohnraum langfristig, wenn die geburtenstarken Jahrgänge weniger werden?

Vor dem Hintergrund des Klimawandels ist unser Boden noch wertvoller geworden. Äcker, Wiesen und Wälder speichern CO2, sorgen für Abkühlung, schützen unser Trinkwasser und wirken bei Starkregen als Puffer. Dennoch schützen wir unseren Boden zu wenig: 5,4 Hektar Fläche werden in Baden-Württemberg täglich in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt und zum größten Teil versiegelt; das sind 2490 Fußballfelder pro Jahr! Der Entwurf des Regionalplans der Metropolregion sieht 700 Hektar für neue Gewerbe- und Wohnbaugebiete vor. Das angestrebte „Netto-Null-Ziel“ beim Flächenverbrauch bis 2035 wird so klar verfehlt.

Es wurden noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, Wohnraum zu schaffen: Leerstandakquise muss Chefsache sein, die Überarbeitung alter Bebauungspläne Aufstockungen ermöglichen, die Grundsteuer C Bauanreize schaffen. Im Gemeinderat wird kräftig auf ein – möglichst großes – Neubaugebiet hingearbeitet. Sozialer und bezahlbarer Wohnraum sind die Schlagworte derer, die das Neubaugebiet erschließen möchten.

Damit das gelingt, muss die Gemeinde ihre Steuerungsmöglichkeiten nutzen und Bodenspekulation verhindern. Konkrete Vorgaben der Gemeinde sind nötig, damit bedarfsgerecht gebaut wird, vor allem kleinere Wohnungen für Senioren und junge Leute. Mit Einfamilienhäusern ist Hirschberg gut versorgt. Um Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen zu schaffen, muss die Erschließung an harte Kriterien für sozialen und bezahlbaren Wohnraum gekoppelt sein, mit einem erheblichen Anteil an preisgedeckelten Wohnungen, längstmöglichen Bindungsfristen und Mitspracherechten bei der Belegung. Attraktivität für Investoren entsteht durch kommunal gesteuerte Bodenpreise, die wirtschaftliches Bauen auch im preisgebundenen Sektor ermöglichen.

Freie Wähler

In Hirschberg werden bis 2040 zwischen 240 und 370 Wohnungen fehlen, und wer etwas anderes behauptet, verfälscht und leugnet verschiedene amtliche Prognosen. Unser Freie-Wähler-Verständnis ist, dass die Eigentümer noch immer selbst über ihren Besitz und dessen Nutzung entscheiden.

Damit gehen wir in Widerspruch zur GLH mit ihrer Idee der Innenverdichtung. Das hat die letzten Jahre nicht funktioniert und wird auch von der Bevölkerung nicht mitgetragen. Wohnraum, und wir wollen günstigen Wohnraum, gibt es nur mit einem Neubaugebiet. Wir wollen in einem überschaubaren Umfang ein Neubaugebiet mit neuen Maßstäben ausweisen.

Hierzu zählen Aspekte wie eine hohe Anzahl von Wohneinheiten je Hektar (… das senkt die Baukosten), ein zweistelliger prozentualer Anteil an sozial-gefördertem und preisgünstigem Wohnraum (… das senkt die Mieten), die Installation von Wärmeanlagen für erneuerbare Energie und ein ökologisches Konzept, bspw. mit Dach- und Wandbegrünung oder Versickerungsstellen (… das nützt der Umwelt). Die Gemeinde wurde auf Initiative des Verbands Region Rhein Neckar in das Modellvorhaben der Raumordnung für flächensparendes Bauen (MORO) aufgenommen. Diese wertvolle Unterstützung findet aktuell statt und generiert Ansätze für die Entwicklung eines beispielhaften Neubaugebiets unter Zugrundelegung aktuellster Erfahrungen aus der Stadtplanung.

Hirschberg benötigt dringend eine Weiterentwicklung, um einer Überalterung und einem Verlust an Einwohnern entgegenzuwirken. Es braucht den Zuzug von jungen Familien, die mit ihren Kindern die Attraktivität von Kindergärten und Schulen beeinflussen, die Leben in die Vereine bringen und die mit ihren Steuern die Gemeinde in die Lage versetzen, klimaaktiv und der Zukunft zugewandt zu agieren, beispielsweise durch den Umbau von alten Heizungsanlagen hin zu erneuerbaren Energien oder durch eine gute Ausstattung von Kindergärten und Schulen.

CDU

Hirschberg braucht auf jeden Fall ein Neubaugebiet für alle Bevölkerungsgruppen, da das Gutachten zum Wohnraumbedarf klar aufgezeigt hat, dass die Gemeinde einen steigenden Bedarf hat; bis zum Jahr 2040 sollten etwa 370 neue Wohnungen entstehen.

Ein Indiz dafür ist, dass sich die Bevölkerung von Hirschberg zwischen 2017 und 2023 um 1,3 Prozent, das sind 129 Personen, reduziert hat, während die Bevölkerung im Rhein-Neckar-Kreis um 1,6 Prozent, das sind 8607 Personen, gestiegen ist. Das Gutachten hat weiter aufgezeigt, dass die Bevölkerung ohne ein entsprechendes Wohnraumangebot, vor allem für junge Familien mit Kindern, langfristig überaltert mit allen negativen Folgen. Der Einzelhandel wird weiter geschwächt und droht irgendwann zu veröden, für Vereine wird es immer schwieriger, Menschen zu finden, die sich engagieren. Ein Neubaugebiet wird auch die Einkommensteuer langfristig steigern und verstetigen.

Unser Konzept: Wir wollen in Leutershausen unterhalb der B 3 ein Neubaugebiet schaffen. Hierbei legen wir großen Wert auf eine Bauplanung mit einer möglichst geringen Bodenversiegelung, Klimaschutz und Nachhaltigkeit, um die ökologischen Auswirkungen zu minimieren. Auf einem noch festzulegenden Flächenanteil soll bezahlbarer Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen entstehen. Der Boden ist ein knappes Gut. Deshalb wollen wir ein Neubaugebiet mit vielen Wohneinheiten, unter anderem auch mit Geschosswohnungsbau, schaffen. Die Wohneinheiten sollen sich am Bedarf der einzelnen Bevölkerungsgruppen orientieren.

SPD

Alle Experten sind sich einig, dass in Deutschland mehrere hunderttausend Wohnungen fehlen. Vor allem im sozial gebundenen, preisgedämpften und preisgünstigen Sektor tun sich aufgrund der in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Bau-, Wohn- und Mietkosten gewaltige Lücken auf. Unsere Gegend beziehungsweise Hirschberg sind da keine Ausnahmen. Innenverdichtung ist zwar stets die erste Wahl, sie wird realistischerweise aber nicht ausreichen, um diese enorme Nachfrage zu decken. Auch wir, die Gemeinde, müssen uns dieser Verantwortung stellen.

Die SPD spricht sich daher grundsätzlich für ein Neubaugebiet in Hirschberg aus. Diese Zustimmung knüpfen wir allerdings an bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Dazu gehört, dass ein modernes und nachhaltiges Wohn-, Mobilitäts- und Quartierskonzept umgesetzt wird. Weiterhin muss das Thema Klimaschutz angemessen berücksichtigt und flächensparend gebaut werden.

Uns als SPD liegt natürlich insbesondere am Herzen, dass dabei in einem sinnvollen Mix auch in substanziellem Umfang Wohnraum in den oben bereits genannten unteren Preissektoren entsteht, also im sozial gebundenen und preisgedämpften Segment. Dort besteht auch der größte Mangel.

Wir wünschen uns darüber hinaus, dass ein Angebot entsteht, das die Anforderungen junger Familien ebenso berücksichtigt wie diejenigen von älteren Menschen. Bürgerbeteiligung von Anfang an ist in diesem Zusammenhang das Stichwort. Beispielsweise gab es ja bereits eine Initiative für ein Mehrgenerationenhaus. Das könnte dort entstehen. Aufenthaltsqualität und ggf. auch Einzelhandel sind weitere Punkte, die Berücksichtigung finden sollten. Dazu müssen natürlich alle an einem Strang ziehen. Dann, davon sind wir überzeugt, kann etwas richtig Gutes entstehen.

FDP

Die FDP unterstützt die Schaffung eines Neubaugebietes in Leutershausen. Schließlich gehen die Initiativen dazu auch auf einen gemeinsamen Antrag von FDP, Freien Wählern und CDU zurück. Uns ist dabei wichtig, dass wir es schaffen, zum einen junge Familien im Ort zu halten, die derzeit keinen Wohnraum finden.

Zum anderen wollen wir den Fokus auf bezahlbaren Wohnraum legen. Bei den derzeitigen Bau- und Grundstückspreisen ist es der viel zitierten Mittelschicht nicht mehr möglich, sich eigenen Wohnraum zu leisten. Deswegen müssen wir es in einem Neubaugebiet schaffen, das Bauen nicht unnötig teuer zu machen. Wir wollen daher auf alle nicht notwendigen Standards und Vorgaben verzichten, die unterm Strich das Wohnen teurer machen.