Weinheim/Mannheim

Wie ein Weinheimer Schreiner sein Handwerk mit der Kraft des Universums vereint

Die Bar im "Speicher 7", der Jazzclub "Ella & Louis" - Thorsten Hempel stattet nicht nur die Top-Gastronomie in der Region aus, sondern lässt sich in Sachen Wohngesundheit von antiken Philosophen inspirieren.

Thorsten Hempel vor dem Dodekaeder, der zum Beispiel als Meditationsraum genutzt werden kann. Foto: Philipp Reimer Fotografie
Thorsten Hempel vor dem Dodekaeder, der zum Beispiel als Meditationsraum genutzt werden kann.

Wer Thorsten Hempel in seinem Schreinerbetrieb, der "Werkhalle" in Mannheim, besuchen will, den lenkt das Navi erst einmal durch das Hafengebiet in Rheinau, vorbei an Kränen, schmucklosen Lagerhallen, vorbei an Blechtonnen und unzählbar vielen Lkws. Irdische Industriegeschäftigkeit. Aber dann hat man im besten Fall die unscheinbare "Werkhalle" mit der feuerroten Schrift gefunden, und direkt hinter dem großen Rolltor lässt der Chef buchstäblich das Universum antanzen.

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Inspiriert von den alten Griechen

Während sein fünfköpfiges Team im rückwärtigen Teil der Halle an Kundenaufträgen arbeitet, zeigt Thorsten Hempel das aktuelle Lieblingsstück der Werkhallianer: einen etwa 2,50 Meter hohen Dodekaeder aus Douglasienholz und schwarz gefärbten MDF-Platten. Der Körper mit zwölf Flächen in Form von Fünfecken ist einer von fünf platonischen Körpern, den Polyedern, mit größtmöglicher Symmetrie. "Sie sind die Bausteine des Universums", erklärt der 48-jährige Weinheimer. Die Verbindung von Geometrie und Philosophie geht zurück auf den antiken Philosophen Platon, der vier Körper den vier Elementen Feuer, Erde, Luft, Wasser zuordnete. Der fünfte Körper, der Dodekaeder, steht nach dieser Theorie für Äther - also für den Stoff, von dem die alten Griechen glaubten, dass er alles durchdringt. "Von der Quantenebene bis zur Metagalaxie ist alles nach diesen Gesetzmäßigkeiten konstruiert", schwärmt Hempel.

Dieses Urprinzip der Welt hat Thorsten Hempel nachgebaut. Man kann den Dodekaeder betreten, sich hineinsetzen - und spüren, wie sich diese besondere Architektur auf Körper und Seele auswirkt. "Er lässt sich zum Beispiel als Meditationsraum nutzen", sagt Hempel. Passend zu der "Geometric Art" an der gegenüberliegenden Hallenwand. Die geometrischen Muster, die die Werkhallianer ins Holz gefräst haben, üben auf den Betrachter eine fast schon hypnotische Wirkung aus.

Die "heilige Geometrie", die man auch in der Natur entdeckt, beispielsweise in der Form von Bienenwaben, dem Aufbau der Flügel von Insekten oder eines Schneckenhauses (exakt nach der Formel des "Goldenen Schnittes"), fasziniert Thorsten Hempel schon lange. Im Gespräch geht es immer wieder um das Zusammenspiel von körperlichem Wohlbefinden und naturwissenschaftlichen Gesetzen, zum Beispiel um das Thema "Erden". Die Annahme, dass Menschen durch die direkte Verbindung zur Erde - beispielsweise durch Barfußlaufen - Energie, Ruhe und Stärke gewinnen, sei in jedem Fall spannend, sagt Hempel. "Klar, wir leben auch ohne die ständige Erdung, haben aber auch keine Referenz, wie es um unser Allgemeinbefinden stünde, wenn wir ein Leben lang barfuß unterwegs gewesen wären." Thorsten Hempel selbst trägt an diesem Tag Sneaker mit Gummisohle. Für die Erdung nicht ganz ideal – aber es geht ja um Inspiration, nicht um Dogmatismus.

Die Werkhallianer: Sven Oestreicher, Marius Hohn-Teder, Anthony Till, Thorsten Hempel und Janik Hilger (von links). Foto: Philipp Reimer Fotografie
Die Werkhallianer: Sven Oestreicher, Marius Hohn-Teder, Anthony Till, Thorsten Hempel und Janik Hilger (von links).

Mehr Wohngesundheit

So inspiriert entstehen in der "Werkhalle" Möbelstücke, die beim Besitzer für mehr Wohlbefinden sorgen, die mit den Sinnen erfahrbar sind und die man unter dem Oberbegriff "Wohngesundheit" zusammenfassen könnte. Die Zirbenholzbetten samt Erdungsdecke beispielsweise. "Die ätherischen Öle im Zirbenholz senken die Herzfrequenz um 3500 Schläge pro Tag und verbessern so die Erholung im Schlaf", sagt Thorsten Hempel. Für einen Parkinson-Patienten haben die Werkhallianer auch eine Kabine aus Zirbenholz gebaut, mit klang- und lichttherapeutischen Elementen und der Möglichkeit, darin Sauerstoff oder Sole zu inhalieren.

Anthony Till stellt in der "Werkhalle" gerade Schneidbretter aus Holz her. Foto: Philipp Reimer Fotografie
Anthony Till stellt in der "Werkhalle" gerade Schneidbretter aus Holz her.

Begonnen hat die Erfolgsgeschichte seiner kleinen Firma übrigens in Weinheim. "Meine erste Werkstatt war in der Pappelallee in der Weststadt - auf nur 90 Quadratmetern", sagt er. 2011 war das, nur zwei Jahre später baute er zusammen mit einem Kollegen die Bar für das luxuriöse Hotel "Speicher 7" in Mannheim. Es sollte nicht der letzte Auftrag für die Top-Gastronomie in der Rhein-Neckar-Region bleiben. Auch der Jazzclub "Ella & Louis" am Rosengartenplatz in Mannheim wurde von ihm ausgestattet. 2014 dann der Umzug nach Mannheim, mitten rein ins Industrie- und Hafengebiet. Seitdem ist die Werkstatt stetig gewachsen. Inzwischen beschäftigt Thorsten Hempel fünf Mitarbeiter, die mitziehen, wenn der Chef mal wieder eine verrückte Idee wie die mit dem Dodekaeder hat. Oder mal eben ein Musikvideo dreht, weil Corona gerade die Welt stillstehen lässt.

Skatehalle Tropica in Hemsbach

Das liegt vielleicht aber auch daran, dass der "Chef" ziemlich lässig rüberkommt. Mütze, Werkhallen-Hoodie mit pinker Schrift und Vans sind in seinem Fall sogar authentisch. Denn Skateboardfahren kann Thorsten Hempel ziemlich gut, sagen zumindest die früheren Besucher der Skatehalle Tropica in Hemsbach. Früher war das, in den wilden 90ern. Und genau dort hat es strenggenommen auch mit Thorsten Hempels Karriere als Schreiner angefangen. "Der Koch in der Skatehalle war Schreiner, und er hat mir gezeigt, wie man eine Jump-Ramp baut." Nach der elften Klasse entschied er sich deshalb - nicht ganz freiwillig - für eine Schreinerlehre in Mörlenbach.

Inzwischen hat er seine eigene Werkstatt - und hinter der steht nicht nur der rote "Werkhalle"-Bus, sondern auch der Rohbau für ein Tiny-House in Diamantform. Mit Blick auf die Zukunft ist er überzeugt, dass der Bedarf an Tiny Houses noch steigen wird. "Ich denke, der Trend wird zu kleineren Wohneinheiten gehen, die man je nach Bedarf und Lebenssituation kombinieren kann."

Nicht zu übersehen: der rote "Werkhalle"-Bus. Foto: Philipp Reimer Fotografie
Nicht zu übersehen: der rote "Werkhalle"-Bus.

Wo die Reise für die "Werkhallianer" in den nächsten Jahren hingeht, wird sich zeigen. Sicher ist jedenfalls, dass der Chef auf der Suche nach einer gelungenen Symbiose von naturwissenschaftlichen Gesetzen und körperlichem Wohlbefinden noch die eine oder andere Idee mit auf die Rheinau bringen wird.