Foto: Fritz Kopetzky
Weinheim

Unkontrollierte Vermehrung: Tierheim mit Katzenbabys überflutet

Das Weinheimer Tierheim wird regelrecht von Katzen und ihren Babys überflutet. „Es ist die Hölle los“, sagt Leiterin Jutta Schweidler. Die Lage wächst den Tierhelfern allmählich über den Kopf. Personell sowieso, aber auch finanziell sind die Mittel mit Tierarzt-Behandlungen, Kastrationen und vor allem dem Futter für die wachsende Zahl an Mäulern allmählich erschöpft.

„Es vergeht gerade kein Tag, an dem uns keine Tiere gemeldet werden“, sagt Tierheim-Leiterin Jutta Schweidler besorgt. Geht ein Alarm im Heim ein, rückt ein Katzenfänger aus. Ivonne Heubach gehört zu der überschaubaren Zahl von Ehrenamtlichen, die sich dieser Aufgabe verschrieben haben. Die unkontrollierte Verbreitung der Fellpfoten bereitet ihr Sorge – und jede Menge Arbeit.

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Im Miramar mussten Katzenbabys mit Berufstierrettung und Feuerwehr aus einer Mauer im Freibad-Bereich geborgen werden. Foto: Berufstierrettung Rhein-Neckar
Im Miramar mussten Katzenbabys mit Berufstierrettung und Feuerwehr aus einer Mauer im Freibad-Bereich geborgen werden.

Streuner lockt sie in eine Lebendfalle. Das ist eine rechteckige Gitterbox mit zwei Falltüren an den Enden und einem Köder in der Mitte. Macht sich das Tier über das Leckerli her, wird der Mechanismus ausgelöst – und die Türen schnappen zu. Wenn die Katze im sprichwörtlichen Sack ist, wird der Fallenmelder aktiviert. Ivonne Heubach bekommt dann eine E-Mail zugesendet.

Einsatz im Miramar

Aktuell fliegen die E-Mails am laufenden Band ein: „Zurzeit sind es wirklich viele Meldungen. Oft handelt es sich dabei um Kitten“, so Heubach. So musste am Freitag ein verletztes Tier am Bahnhof eingefangen und aufgepäppelt werden. Sonntag wurde am Waidsee eine schwerst verletzte Katze gerettet. In der Pappelallee galt es, sechs Waisenkätzchen einzufangen. Der Einsatz vom Montag führte die Tierfreunde sogar in den Freibadbereich des Miramars. Dort miaute es auf einmal unaufhörlich aus einer Mauer heraus, weswegen die Berufstierrettung gerufen wurde.

Die Feuerwehr schaffte es schließlich, die Babys händisch aus der Mauer zu holen. Foto: Berufstierrettung Rhein-Neckar
Die Feuerwehr schaffte es schließlich, die Babys händisch aus der Mauer zu holen.

Ein Blick ins Gemäuer offenbarte vier Babykatzen. „Sie waren sehr dünn und abgemagert. Wir wissen nicht, ob sie dort hineingefallen oder -gelegt wurden“, berichtet Michael Sehr von der Berufstierrettung. Zwei der Kitte habe man leicht aus der Mauer bekommen. Die anderen beiden sträubten sich, weswegen die Feuerwehr hinzugerufen wurde.

Problemstellen im Stadtgebiet

Das Umfeld des Miramars ist einer der Hotspots, mit dem Ehrenamtler und Tierheim immer wieder zu kämpfen haben. Am schlimmsten ist die Situation am Drachenstein. Allein dort hat das Tierheim nach eigenen Angaben in den vergangenen fünfeinhalb Jahren 189 herrenlose Katzen eingefangen und beim Tierarzt kastrieren lassen. Weitere Problemstellen seien das Umfeld der Bertleinsbrücke (124 in fünf Jahren) und der Firma Freudenberg (85) sowie des Krankenhauses (71).

Weil die Kapazitäten des Tierheims endlich sind, versuchen Ehrenamtliche, sich bestmöglich vor Ort um die Streuner zu kümmern. Dazu wurden Futterstellen aufgebaut, die fortlaufend betreut und befüllt werden müssen. In den Hochphasen stellt Katzenfängerin Ivonne Heubach dort Kameras auf. Die Sichtung der Aufnahmen hilft, einen Überblick über die Anzahl an Katzen und somit etwas Ordnung in die chaotische Lage zu bekommen. Die Aufnahmen helfen auch, um die Mütter verwaister Katzenbabys zu ermitteln und einzufangen.

Verzweifelte Lage

Das kann überlebenswichtig sein. Insbesondere, wenn die Babys nicht selbstständig fressen. „Ich schaue dann, wie die Mutter sich verhält“, sagt Heubach, „ist sie zutraulich und nicht zu wild, kann sie zu ihrem Nachwuchs ins Tierheim.“ Ist das hingegen nicht der Fall, wird die Katze kastriert und wieder freigelassen. „Zehn Würfe Babykatzen waren es schon in diesem Jahr. Manche mit, manche ohne Mutterkatze“, erzählt Tierheimleiterin Schweidler. Hinzu kämen vorsichtig geschätzt 70 Weibchen, die beim Tierarzt kastriert wurden. Es ist eine verzweifelte Lage: „Durch die vielen Streunerkatzen wird das Futter im Tierheim knapp“, so Jutta Schweidler. Und die Tierarztkosten seien kaum noch zu stemmen. Was die Leiterin ärgert, ist dass sich Weinheim alljährlich sehenden Auges in diese Lage manövriert.

Elisa Schmitt (links) und Jutta Schweidler vom Weinheimer Tierheim haben mit den Streunerkatzen alle Hände voll zu tun. Foto: Gabriel Schwab
Elisa Schmitt (links) und Jutta Schweidler vom Weinheimer Tierheim haben mit den Streunerkatzen alle Hände voll zu tun.

Die Katzenpopulation steige immer weiter. „Ich habe schon prophezeit, dass es 2023 schlimm wird. Dass es so schlimm wird, hätte ich aber nicht gedacht.“ Sie plädiert erneut für die Kastrationspflicht. Eine Forderung, für die sich Heim, Ehrenamtler und Befürworter bereits seit Jahren stark machen.

Verordnung verabschiedet

Erst diesen Monat gab es einen Gemeinderatsbeschluss, vor der Sitzung hatten die Aktivisten mit Plakaten auf ihr Anliegen einer Kastrationspflicht aufmerksam gemacht. Grünes Licht erhielt jedoch erstmal nur eine abgespeckte Kartenschutzverordnung. Sie beinhaltet eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Fellpfoten. Somit müssen Freigänger tätowiert oder mit Mikrochip gekennzeichnet werden. In einem weiteren Schritt soll dann die Kastrationspflicht eingeführt werden.

Tierschützerinnen forderten vor der Sitzung des Gemeinderats den Erlass einer Katzenschutzverordnung – und konnten sich zumindest über einen Teilerfolg freuen. Foto: Carsten Propp
Tierschützerinnen forderten vor der Sitzung des Gemeinderats den Erlass einer Katzenschutzverordnung – und konnten sich zumindest über einen Teilerfolg freuen.

Die Verwaltung hatte ins Feld geführt, dass einer Kastrationspflicht aktuell noch zu viele rechtliche Hürden im Wege stehen. Zunächst müssten die anderen Maßnahmen, nämlich die Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht ausgeschöpft sein, um ein weiteres Vorgehen rechtlich zu begründen. Und auch für Oberbürgermeister Manuel Just war die „Verhältnismäßigkeit der Mittel“ von großer Bedeutung, mit denen man dem starken Anstieg der Streunerkatzen begegnen will.